Prof. Dr. med. Horst Köditz Das Ohr als medizinisches Instrument
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„Heilen durch Sinne“ heißt das übergreifende Thema des heutigen Tages. Ich möchte deshalb im ersten Teil meines Beitrages versuchen, Ihnen das Potential unseres Sinnesorgans Ohr als medizinische Einflußgröße näherzubringen. Im zweiten Teil werde ich mich dann dem speziellen Thema der ersten Hälfte des heutigen Vormittags widmen: der Anwendung der Medizinischen Resonanz Therapie Musik in der wissenschaftlichen Medizin.
Kommen wir als erstes zur
medizinischen Einflußgröße des Ohres.
Hierzu möchte ich ein praktisches Beispiel bringen, das sich täglich ereignet. Ein Arzt wird zu einem Notfall in eine Diskothek gerufen und diagnostiziert akute Kreislaufstörungen: Durchblutungsstörungen in Zehen und Fingern, blasse Haut, zu hoher Blutdruck und Herzrhythmusstörungen die Ursache: Überbelastung des Gehirns mit zu lauter und unnatürlich geordneter Musik. Das Gehirn hat den massiven Ansturm chaotischer bioelektromagnetischer Signale des Ohres nicht verkraftet, ist in seiner eigenen Funktionsweise gestört und kann als Folge die Ordnung des Organismus nicht mehr aufrechterhalten: der Diskothekenbesucher wird zum medizinischen Notfall.
Das Beispiel zeigt ganz deutlich: Musik wirkt unmittelbar physiologisch über unser Ohr und dessen Nervenverbindungen mit dem Gehirn auf unseren gesamten Organismus. Das Ohr und die Musik können gesundheitlich mißbraucht werden wie im obigen Fall oder aber für die Stärkung der Gesundheit genutzt werden, wie im Fall der Medizinischen Resonanz Therapie Musik.
Unser Ohr nimmt in unserem Organismus in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Von allen Organen unseres Körpers ist es das erste, welches zu voller Größe ausgebildet wird: schon im Mutterleib, im Alter von viereinhalb Monaten, ist unser inneres Ohr zu voller Größe herangewachsen, und es nimmt auch schon zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit auf und wird die erste Erfahrungsbrücke des Föten zur Außenwelt.
„Der Hörnerv wird als erster Nerv voll funktionsfähig und ist innerhalb des Nervensystems auch derjenige Nerv, der in der Regel bis zuletzt seine Funktion aufrechterhält“
Eindringende Schallwellen verwandelt des Ohr in bioelektromagnetische Signale, welche es an die Großhirnrinde sendet.
Das Ohr versorgt das Gehirn also schon im Mutterleib mit bioelektromagnetischer Energie und Ordnungen von Impulsfolgen, und einige Forscher sagen heute, daß dadurch die weitere Reifung des Gehirns maßgeblich gesteuert wird.
Der Hörnerv wird als erster Nerv voll funktionsfähig und ist innerhalb des Nervensystems auch derjenige Nerv, der in der Regel bis zuletzt seine Funktion aufrechterhält.
„Das Ohr
Energiezentrale
für unser Gehirn“
Wenn alle anderen Funktionen des Gehirns auf äußere Reize nicht mehr reagieren und keine erkennbaren Lebenszeichen mehr aussenden, kann dieser Nerv noch in Funktion sein und dem Arzt anzeigen, daß der Mensch noch lebt.
Der Audiologe Professor Tomatis aus Paris hat sehr gut dargestellt, daß das Ohr auch eine Art Energiezentrale für unser Gehirn ist. Dabei hat unser Gehör die Aufgabe, unsere Hirnrinde mit Energie zu versorgen ähnlich wie der Dynamo die Batterie eines Autos auflädt. Unser Gehirn braucht zum Leben Zucker und Sauerstoff, damit allein kann es aber noch längst nicht denken.
Für diese Funktion benötigt es eine andere Art von Nahrung: stimulierende Reize, die aus allen Sinnesorganen als Fortleitung elektrischer Potentiale zu ihm gelangen. Das hierfür wichtigste Sinnesorgan ist unser Ohr, welches an der Energiezufuhr für unsere Hirnrinde zu ungefähr 90 Prozent (!) beteiligt ist. Für die Vernetzung der Hirnzellen zu Schaltkreisen nun sind die bioelektromagnetischen Impulse, die aus den Sinnesorganen auf die Hirnrinde treffen, von ganz entscheidender Bedeutung. Bleiben sie zu bestimmten Wachstumszeiten aus oder sind sie in ihrer Qualität eingeschränkt, finden gewisse Vernetzungen gar nicht oder nur eingeschränkt statt.
Um die Bedeutung des Gehirns für unsere Gesundheit zu würdigen, möchte ich Hippokrates zitieren, der sagte: „Wisse, Deine Krankheiten und Deine Gesundheit, Deine Traurigkeit und Deine Freuden sie alle kommen aus Deinem Gehirn.“
„Es ist unglaublich,
wieviel Kraft die Seele dem Körper
zu verleihen vermag“
Wilhelm von Humboldt
Der hochbegabte und naturwissenschaftlich sehr interessierte Hohenstaufenkaiser Friedrich II. hatte sich die Frage vorgelegt, in welcher Sprache Kinder sich auszudrücken beginnen würden, die niemals vorher irgendein Wort sprechen gehört haben.
Würde das die lateinische oder die griechische oder die älteste Sprache, die hebräische oder die Muttersprache sein? Sein lebhaftes Interesse veranlaßte ihn zu einem ungewöhnlichen Experiment.
Er übergab Wärterinnen und Ammen eine Anzahl verwaister Neugeborener zur Aufzucht mit dem Auftrag, ihnen die Brust zu reichen und die beste Pflege zu garantieren, aber mit dem strengsten Verbote, jemals mit oder vor ihnen ein Wort zu sprechen.
Des Kaisers brennende Frage fand indessen aber keine Antwort; denn alle Kinder starben im frühesten Alter.
„Sie konnten ja nicht leben ohne den Beifall, die Gebärden, die freundlichen Mienen und Liebkosungen ihrer Wärterinnen und Ammen; deshalb nennt man Ammenzauber die Lieder, die das Weib hersagt beim Schaukeln der Wiege.“ So lautet das Urteil des Chronisten Salimbene von Parma eine um die Zeit von 1240 bemerkenswerte Fragestellung.
„Musik wirkt unmittelbar physiologisch über unser Ohr und dessen Nervenverbindungen mit dem Gehirn auf unseren gesamten Organismus.“
Im zweiten Buch des Herodot wird von Psammetich eine ähnliche Geschichte mit weniger tragischem Ausgang erzählt. Wenn diese Berichte vielleicht auch übertrieben sind, so sind sie doch frühe Hinweise darauf, wie notwendig die Stimulation der Sinne für eine normale Entwicklung der Kinder ist.
Haben wir heute nicht das entgegengesetzte Problem?
Ton und Klang Naturphänomen, Schallereignis Zivilisationsgefahr oder Balsam für Leib und Seele?
Ist Musik nicht Sonderfall selbstproduzierten Lärms des Menschen gehört sie somit zum Umweltlärm? Heute mehr denn je seit der Vertreibung der Stille steht Musik im Spannungsfeld von ekstatischem Drogenrausch, ausgewogener Harmonie und akustischer Belästigung. Ausnahmslos alle Altersgruppen kommen mit ihr in Berührung, doch wie gehen sie mit ihr um? Kompensation von Gefühlswelten und körperlichen Reaktionen, psychischer Befindlichkeit und physischer Belastbarkeit. Wie sensibel sind unser Gehör und unser Reizleitungssystem? Wieviel Dauerbeschallung vertragen sie noch?
Welche Hirntätigkeiten werden aktiviert, welche Vernetzungen können registriert und wie können sie bewertet werden? Wie krank können Schallereignisse machen?
Damit will sich die Medizinische Woche Baden-Baden jedoch in diesem Jahr nicht befassen, sondern mit der Frage, wie es möglich ist, den umgekehrten Effekt zu erreichen, nämlich über die Sinne einen heilenden Einfluß auf die Menschen zu ermöglichen.