PETER HÜBNER
Klassischer Komponist • Musikwissenschaftler
ARTISTIC & VIRTUOSO PIANOS
CLASSIC-LIFE: Herr Hübner, Sie haben zwei Gruppen Ihrer Klavierstücke mit „Artistic Pianos“ und „Virtuos Pianos“ bezeichnet.
Es handelt sich dabei offensichtlich um zwei verschiedene Interpretationen derselben Kompositionen. Können Sie uns hierzu etwas sagen?
PETER HÜBNER: Wenn man sich eine klassische Partitur ansieht, dann sind dort oft auch über das Tempo irgendwelche Angaben gemacht und seit Beethoven auch genauere Angaben, z.B.: wieviele „Schläge pro Minute“.
Wie ich schon vorher verschiedentlich erörtert habe, ist das „Tempo“ in der Interpretation klassischer Musik ein heikles Thema, denn ein falsches Verständnis der Tempoangaben bei den Werken unserer großen klassischen Tonschöpfer führt üblicherweise zum fixierten Rhythmus.
Die meisten heutigen Interpreten meinen, daß es sich bei der Tempoangabe um ein fest einzuhaltendes Tempo handelt. In Wahrheit handelt es sich, zumindest bei den großen Klassikern, um ein Durchschnittstempo, welches variiert und dann allenfalls dem Durchschnitt eines festen Tempos entspricht.
Bei den „3 Virtuos Pianos“ sind die Musikstücke im festen Tempo gespielt. Dies entspricht dem heute die für die Klassik üblichen Verständnis von „Interpretation“.
Bei den „3 Artistic Pianos“ wurden dieselben Musikstücke mit variablem Tempo eingespielt. Auf der Rückseite der CD-Hüllen beider Gruppen sieht man, daß die Gesamtzeiten sich jeweils entsprechen.
Die zeitlich fixierte Interpretation der „3 Virtuos Pianos“ sprechen mehr das Körperliche bzw. den Körper an und animieren diesen zur Bewegung während die zeitlich variable Interpretation der „3 Artistic Pianos“ mehr den Geist anspricht und dem Hörer dadurch mehr das Gefühl von Freiheit vermittelt.
Diese beiden „Interpretationen“ dieser Klavierwerke liefern praktische Beispiele für die Diskussion um den fixierten Rhythmus.
Ich möchte aber betonen, daß auch bei den „3 Virtuos Pianos“ nicht der Rhythmus fixiert ist sondern nur das Tempo: jene Geschwindigkeit des Taktdurchlaufs.
Das liegt an der Art der Komposition.
Die Werke unserer großen Klassiker sind rhythmisch wenig differenziert notiert, weil es diesen Musikschöpfern bei der Niederschrift nicht nötig erschien, die einzelnen rhythmischen Nuancierungen mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu notieren.
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